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1125/X. - Erschließungsverträge gem. § 11 BauGB

Vorlagennummer1125/X.
Beratungsartöffentlich
Drucksache und Anlagen:
Beschlussvorschlag:


Der Rat der Stadt Kleve beschließt, dass Erschließungsmaßnahmen auf einen privaten Dritten (Erschließungsträger) übertragen werden können. Mit den Erschließungsträgern sind Erschließungsverträge gem. §11 Baugesetzbuch (BauGB) zu beschließen.

Sachverhalt:


Derzeit liegen der Verwaltung zwei Anfragen von Investoren vor, die die notwendigen Straßenbaumaßnahmen in Eigenregie durchführen möchten.
Nach den nicht immer positiven Erfahrungen mit der Abwicklung von Erschließungsverträgen in den Jahren 1986 – 2006 hat die Stadt Kleve bis auf wenige atypische Ausnahmen keine Verträge über den privaten Straßenbau abgeschlossen. Seitdem liegt die Planung und Ausführung der Straßenbauarbeiten ausschließlich in der Hand des Fachbereichs Tiefbau.
Momentan ist der Fachbereich Tiefbau durch anstehende Sanierungsmaßnahmen und die Erschließung von städtischen Baugebieten soweit ausgelastet, dass die o.g. Investorenmaßnahmen in das Jahr 2020/ 2021 verschoben werden müssten. Um die städtebauliche Entwicklung der Stadt nicht zu hemmen, ist zu überlegen, ob die bisherige Haltung hinsichtlich des Abschlusses von Erschließungsverträgen in zu definierenden Ausnahmefällen aufgegeben werden soll.
Rechtliche Darstellung
Eine Möglichkeit für die Gemeinde, die Erschließungslast weiterzugeben, besteht darin, dass sie mit einem Dritten einen sog. Erschließungsvertrag abschließt. Ein Erschließungsvertrag liegt dann vor, wenn die Gemeinde einem Unternehmen die Erschließung eines bestimmten Baugebiets überträgt, die dieses im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführt. Für den Erschließungsvertrag hatte das Baugesetzbuch in § 124 eine Spezialregelung vorgesehen, die aber mit der sog. "Innenentwicklungsnovelle" von 2013 aufgehoben wurde. Der Erschließungsvertrag wird jetzt wie ein allgemeiner städtebaulicher Vertrag behandelt und muss sich dementsprechend an die Regeln des städtebaulichen Vertrags halten, die in § 11 BauGB enthalten sind.
Der Erschließungsunternehmer ist in aller Regel ein Bauträger, der alle zu erschließenden Grundstücke in seinem Eigentum hat. Befinden sich in dem Gebiet Grundstücke Dritter, können Komplikationen auftreten, da diese Dritten nicht gezwungen werden können, dem Erschließungsvertrag beizutreten. Der Erschließungsunternehmer übergibt nach Herstellung der Erschließungsanlagen die fertiggestellten Anlagen der Gemeinde, die im Regelfall hierfür keine Gegenleistung zahlt. Daraus ergibt sich allerdings auch, dass die Gemeinde keine Beiträge verlangen kann, da sie ja für die Herstellung der Erschließungsanlagen keine Aufwendungen hatte.
Gegenstand des Erschließungsvertrags
Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung können nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB alle nach Bundes- oder Landesrecht beitragsfähigen Erschließungsanlagen sein. Aber auch nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen können zum Gegenstand eines Erschließungsvertrags gemacht werden. Der vertraglichen Vereinbarung zugänglich ist die Frage, ob alle Erschließungsanlagen vom Erschließungsträger hergestellt werden sollen oder nur ein Teil von ihnen, so etwa, wenn die Gemeinde sich selbst die Erstellung der Kanalisation vorbehält. Ein bestimmtes Erschließungsgebiet ist nicht erforderlich. Daher kann Gegenstand eines Vertrags über Erschließungsanlagen auch eine Maßnahme sein, die sich nicht im Baugebiet befindet, solange der entsprechende Kausalzusammenhang zwischen Baugebiet und Erschließungsanlagen besteht. Ein Erschließungsvertrag, der global die Erschließung im gesamten Gemeindegebiet auf Private überträgt, ist allerdings nicht zulässig.
Die im Erschließungsvertrag vereinbarten Leistungen müssen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB den gesamten Umständen nach angemessen sein und in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung stehen. Die Gemeinde darf auch bei Übertragung der Erschließung auf einen Dritten keine Überdimensionierung oder sonstige wirtschaftlich nicht zu vertretenden Ausführungen der Erschließungsanlage verlangen.
Form des Vertrags
Zur Form des Erschließungsvertrags schreibt § 11 Abs. 3 BauGB vor, dass der Vertrag in Schriftform abzuschließen ist. Häufig ist aber mit dem Erschließungsvertrag auch ein Grundstücksgeschäft verbunden, etwa wenn sich der Erschließungsträger verpflichtet, nach Durchführung der Erschließung die Erschließungsanlagen an die Gemeinde zu übereignen. Enthält ein Vertrag Verpflichtungen zur Übereignung von Grundstücken, so muss er nach § 311b BGB notariell beurkundet werden.
Vorteile des Erschließungsvertrags
· Die Verwaltung wird nicht mit den technischen und administrativen Arbeiten für die Planung und Herstellung der Erschließung belastet.
· Die Stadt Kleve muss keine Erschließungsbeiträge erheben und vermeidet das Prozessrisiko.
· Schließlich muss die Gemeinde auch nicht den 10 %igen Gemeindeanteil tragen, den sie bei der Beitragserhebung nach § 129 Abs. 1 BauGB letzter Satz zu tragen hat. Sie kann vielmehr im Erschließungsvertrag mit dem Erschließungsträger vereinbaren, dass dieser zu 100 % die Kosten übernimmt.
Der Erschließungsvertrag hat aber auch für den Erschließungsträger Vorteile. Er hat die Erschließung in seiner Hand und kann so die Hoch- und Tiefbauarbeiten für das Projekt besser koordinieren. Gleichzeitig hat er Einfluss auf die Kosten der Anlage und kann diese von Anfang an in seine Projektkalkulation einfließen lassen.
Nachteile des Erschließungsvertrags
· Die Verwaltung muss im Vertrag die technischen Vorgaben festlegen und laufend, d.h. auch während der Bauphase, deren Einhaltung kontrollieren.
· Die Verwaltung muss vor der Übernahme der Straßenfläche in städtisches Eigentum – sofern keine Privatstraße gebaut wird – Rechnungen, Dokumentationen, Gutachten prüfen und ggfs. Nachbesserungen durchsetzen.
· Es besteht das Risiko, dass der Bauträger während der Bauphase bzw. vor Abnahme der Straße in die Insolvenz geht und ggfs. ein anderer Vertragspartner oder die Stadt „einspringen“ müssen. Dies kann durch eine Vertragserfüllungsbürgschaft abgesichert werden.
Der Erschließungsvertrag hat auch für den Erschließungsträger Nachteile. Er muss sich eng an die Vorgaben der Stadt halten und trägt die Verantwortung für die mängelfreie Herstellung.

Wie oben bereits beschrieben, sollte ein Erschließungsvertrag nur in besonders begründeten Ausnahmefällen und unter den folgenden Kriterien in Erwägung gezogen werden:

1. Neubaugebiet möglichst ohne vorhandene Altbebauung
2. Straßenflächen und Bauflächen in der Hand eines Eigentümers
3. Bereitschaft des Eigentümers zur Übertragung des Straßenlandes
4. Bereitschaft des Eigentümers zur Übernahme der durch den FB 66 formulierten allgemeinen und konkreten Ausbaustandards
5. Kapazitätsobergrenze (maximal drei laufende private Maßnahmen in der Bearbeitung/ Begleitung bei FB 66)

Fazit
Der Rat der Stadt Kleve hat mit dem Beschluss einer Vielzahl von Bebauungsplänen die Grundlage für eine stetige städtebauliche Entwicklung gelegt. Es widerspricht diesem Entwicklungsgedanken, wenn private städtebauliche Projekte aufgrund der Priorität städtischer Maßnahmen (Gewerbegebiete, Baugebiete) zurückgestellt werden müssen.
Das Angebot der Investoren, den Straßenbau in die Hand zu nehmen könnte hier - zumindest in den nächsten Jahren - eine Lösung sein. Allerdings hat die Erfahrung der Vergangenheit gezeigt, dass die enge Begleitung und Dokumentation der Maßnahme unerlässlich ist. Der FB 66 ist somit auch bei Fremdmaßnahmen in einem nicht zu unterschätzenden Maß personell gebunden.
Wichtig erscheint auch, dass die Erstellung der Straßen durch den Fachbereich 66 nach wie vor die Regel ist. Ein Anspruch eines Investors auf Abschluss eines Erschließungsvertrages besteht nicht.

Die Verwaltung empfiehlt dem Rat, dass Erschließungsmaßnahmen auch auf einen privaten Dritten übertragen werden können.

Beratungsweg:

Hier können Sie den Beratungsweg und die Beschlussfassungen der Vorlage verfolgen

Liegenschafts- und Steuerausschuss, 11.09.2019
Wortbeitrag:
Verwaltungsdirektor Keysers erläutert die Drucksache und teilt mit, dass es seit Jahren üblich ist, dass öffentliche Straßen in Eigenregie durch die Stadt Kleve gebaut werden. Nunmehr liegen der Verwaltung zwei Anfragen von privaten Investoren vor, die eine Erschließung eigenständig bauen möchten. Da ein zeitnaher Straßenausbau gewünscht jedoch ist, jedoch vonseiten des Fachbereichs Tiefbau nicht sichergestellt werden kann, schlägt die Verwaltung vor, dass Erschließungsmaßnahmen auf private Dritte (Erschließungsträger) übertragen werden können.

Verwaltungsdirektor Keysers betont, dass die Einhaltung der Standards für den Bau öffentlicher Straßen durch Begleitung, Kontrolle und Abnahme sichergestellt werden. Er sichert zu, dass der Fachbereich Tiefbau übertragene Erschließungsmaßnahmen eng begleiten wird.

StV. Driever verweist auf negative Beispiele aus der Vergangenheit. Mögliche Kapazitätsverlagerungen bei Tiefbaufirmen sieht er kritisch. StV. Driever hält die Einhaltung der üblichen Standards für unabdingbar.

StV. Dr. Merges bittet um Information zum üblichen Zeithorizont beim Straßenausbau durch Dritte sowie zur Größenordnung der Ausbaumaßnahmen.

StV. Meyer-Wilmes begrüßt, dass vonseiten der Stadt keine Beteiligung an den Ausbaukosten erfolgt. Sie bittet um Darstellung der beiden geplanten Erschließungsmaßnahmen.

Verwaltungsdirektor Keysers antwortet, dass neben der Begleitung, Kontrolle und Abnahme durch den Fachbereich Tiefbau eine vertragliche Absicherung der Straßenausbau-Standards erfolgt.
Er ergänzt, dass Erschließungsträger sämtliche Baukosten tragen und der sonst übliche 10 %-ige Kostenanteil der Stadt entfällt. Ebenso fallen keine Erschließungskosten für Drittanlieger an.

Der zeitliche Aufwand einzelner Baumaßnahmen hängt maßgeblich vom Umfang der jeweiligen Baumaßnahme ab und kann nicht pauschal beurteilt werden. Die beiden geplanten Erschließungsmaßnahmen wird er im nichtöffentlichen Teil des Ausschusses erläutern.

StV. Teigelkötter fragt an, ob die Gewährleistungsansprüche mit dem Eigentumswechsel auf die Stadt Kleve übergehen.
Verwaltungsdirektor Keysers bejaht dies.

StV. Meyer-Wilmes beantragt Fraktionsberatungen.

Die Drucksache wird ohne Empfehlung an den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen.
Bau- und Planungsausschuss, 12.09.2019
Wortbeitrag:
Technischer Beigeordneter Rauer erläutert die Drucksache.

StV Dr. Merges bitte darum, dass der Beschlussvorschlag dahingehend ergänzt werde, dass dem Rat die Erschließungsverträge zum Beschluss vorgelegt werden.
Er fragt weiter, ob es bei nicht Erfüllung der Vorgaben Vertragsstrafen gebe.

Technischer Beigeordneter Rauer antwortet, dass dies über den Liegenschafts- und Steuerausschuss, Haupt- und Finanzausschuss und Rat geschehen könne. Er führt weiter aus, dass ein Investor durch Verzögerungen genug benachteiligt werde. Man könne über eine zusätzliche Vertragserfüllungsbürgschaft nachdenken.

StV Teigelkötter erklärt, dass er eine Vertragserfüllungsbürgschaft für sinnvoll halte.

Technischer Beigeordneter Rauer erklärt, dass die Verwaltung dies prüfen werde.

StV Schnütgen beantragt Fraktionsberatung.

StV Ricken unterstützt die Auffassung des StV Dr. Merges, den Beschlussvorschlag zu ergänzen.

Der Tagesordnungspunkt wird ohne Empfehlung an den Rat gegeben.
Haupt- und Finanzausschuss, 25.09.2019
Wortbeitrag:
Bürgermeisterin Northing weist auf eine Ergänzung des Beschlussvorschlages dahingehend hin, dass der Rat über jede einzelne Maßnahme entscheide.

StV. Gebing ergänzt weiter, dass als Sicherheit jeweils eine Vertragserfüllungsbürgschaft vorgelegt werden müsse.

Erster Beigeordneter Haas schlägt somit die Ergänzung des Beschlussvorschlages wie folgt vor:
"Der Rat der Stadt Kleve beschließt, dass Erschließungsmaßnahmen auf einen privaten Dritten (Erschließungsträger) übertragen werden können. Mit den Erschließungsträgern sind Erschließungsverträge gem. §11 Baugesetzbuch (BauGB) zu beschließen. Über jede einzelne Maßnahme entscheidet der Rat. Jede Einzelmaßnahme ist mit einer Vertragserfüllungsbürgschaft abzusichern."

StV. Bay teilt mit, dass seine Fraktion nicht zustimmen werde, weil ihnen die Gründe nicht stichhaltig genug seien.

Der Haupt- und Finanzausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Kleve mehrheitlich bei drei Gegenstimmen, dem Beschlussvorschlag der Drucksache zu folgen.
Rat, 09.10.2019
Beschluss:
Der Rat der Stadt Kleve beschließt mehrheitlich bei sechs Gegenstimmen, dass Erschließungsmaßnahmen auf einen privaten Dritten (Erschließungsträger) übertragen werden können. Mit den Erschließungsträgern sind Erschließungsverträge gem. §11 Baugesetzbuch (BauGB) zu schließen. Über jede einzelne Maßnahme entscheidet der Rat. Jede Einzelmaßnahme ist mit einer Vertragserfüllungsbürgschaft abzusichern.
Wortbeitrag:
Bürgermeisterin Northing weist auf die Ergänzung des Beschlussvorschlags hin.

StV. Gebing hat eine redaktionelle Anmerkung und meint, dass Erschließungsverträge zu schließen und nicht zu beschließen seien.

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